Biographie

Hugo Ball wurde am 22. Februar 1886 als der “rechtmäßige Sohn des Karl Ball und dessen Ehefrau Josephina Arnold” in Pirmasens geboren. Nach vier Jahren Volksschule war Ball von 1895-1901 am Pirmasenser Progymnasium. Gesundheitliche Gründe zwangen ihn, die kaufmännische Lehre in einer Lederhandlung abzubrechen. 1905-1906 besuchte Ball die Prima des Königlichen Humanistischen Gymnasiums Zweibrücken. Im Oktober 1906 begann er sein Studium an der Philosophischen Fakultät in München, wechselte zum Wintersemester 1907/08 nach Heidelberg und kehrte mit dem Wintersemester 1908/09 nach München zurück. Mit dem Wintersemester brach Ball sein Studium mit der Begründung ab, dass ihm “der Wissensbetrieb … erstorben schien.”

Hugo Ball im Englischen Garten in München1911Hugo Ball im Englischen Garten in München1911

Von September 1910 bis Mai besuchte Ball die Schauspielschule des Deutschen Theaters in Berlin. Im Abschlusszeugnis wurde ihm bescheinigt, dass er “als Hilfskraft für Regie, Dramaturgie und Verwaltungsfragen bestens empfohlen werden” könne. Nach der Spielzeit 1911/12 beim Stadttheater Plauen (Vogtland) wechselte er zum Münchener Lustspielhaus, das im selben Jahr, auf seinen Vorschlag hin, in Münchener Kammerspiele umbenannt wurde.

“1910-1914 war alles für mich Theater: das Leben, die Menschen, die Liebe, die Moral. Das Theater bedeutete mir: die unfassbare Freiheit”, notierte Ball in sein Tagebuch. 1911 erschien Balls erstes Buch im Leipziger Ernst Rowohlt Verlag, das Drama “Die Nase des Michelangelo”.

Neben Friedrich Nietzsche, mit dem sich Ball gründlich während seines Studiums beschäftigte, wurden Frank Wedekind und Wassily Kandinsky von prägender Bedeutung für seine literarische und kulturelle Entwicklung.

Ball beteiligte sich mit zumeist lyrischen Texten an den Zeitschriften “Revolution”, “Die Neue Kunst”, “Jugend”, “Die Aktion”. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderte die Verwirklichung zahlreicher literarischer Vorhaben und Projekte. Nach der kriegsbedingten Schließung der Münchener Kammerspiele ging Ball nach Berlin und wurde dort Redakteur bei der Wochenschrift “Zeit im Bild”. Mit Richard Huelsenbeck veranstaltete er 1915 in Berlin literarische Abende, ehe er mit Emmy Hennings, seiner späteren Frau, in die Schweiz emigrierte.

Titelblatt Cabaret VoltaireTitelblatt Cabaret Voltaire

Gegenüber seiner Schwester Maria begründete er: “Ich bin aus Deutschland weggegangen, weil ich immer die Absicht hatte, mich im Ausland weiterzubilden und weil der Krieg und der ‘Patriotismus’ meinen Überzeugungen widersprach.” Die mitgebrachten Barmittel waren bald aufgebraucht, und so versuchten beide, durch literarische Veröffentlichungen und durch jede Art von Beschäftigungen das nötige Geld für ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Im Oktober 1915 fanden Hugo Ball und Emmy Hennings beim Varieté-Ensemble “Maxim” ein Engagement und gründeten selbst das “Arabella”-Ensemble, bevor sie Ende Januar/Anfang Februar 1916 die “Meierei” in der Zürcher Spiegelgasse 1 mieteten, um Balls Plan eines eigenen literarischen Kabaretts zu verwirklichen.

Am 5. Februar 1916 wurde die “Künstlerkneipe Voltaire”, später in “Cabaret Voltaire” umbenannt, eröffnet. Zunächst arbeitete Ball ohne festes Ensemble mit recht unterschiedlichen Programmen, bis sich die späteren dadaistischen Hauptakteure um ihn und Emmy Hennings scharten: Hans Arp, Richard Huelsenbeck, Marcel Janco und Tristan Tzara.

In dem im Mai 1916 erschienenen und von Hugo Ball herausgegebenen Programmheft “Cabaret Voltaire” wurde das Wort “Dada” erstmals dokumentiert. Am 23. Juni 1916 trug Ball im Cabaret Voltaire zum ersten Mal seine Lautgedichte vor. Im Juli 1916 reiste er ins Tessin, um hier an seinem Roman “Flametti oder Vom Dandysmus der Armen”, der Balls und Emmy Hennings’ Auftreten beim “Maxim”-Ensemble beinhaltet, zu schreiben.

Hugo Ball beim Vortrag von LautgedichtenHugo Ball beim Vortrag von Lautgedichten

Mit der Gründung der “Galerie Dada” im März 1917 begann Ball sich wieder am Dadaismus zu beteiligen. Schon bald, Ende Mai, zog er sich, erschöpft durch die Vielfalt der organisatorischen Aufgaben, finanziellen Schwierigkeiten und persönlichen Spannungen mit dem Co-Direktor Tzara, endgültig von den dadaistischen Aktivitäten zurück.

Von 1917 bis 1920 war Ball Mitarbeiter der Berner “Freien Zeitung”. Er lernte viele politische Emigranten kennen, unter anderen auch Ernst Bloch. Die Kriegsschuld Deutschlands wurde für Ball das wichtigste Thema seiner Berner Jahre, das 1919 auch in seinem Buch “Zur Kritik der deutschen Intelligenz” ihren Ausdruck fand. Das Buch enthält eine Reihe gegen das deutsche Judentum gerichteter antisemitischer Passagen, die Ball in dieser Form später nicht wiederholt bzw. ganz fallen gelassen hat. Als die “Freie Zeitung” in Bern ihr Erscheinen einstellte, war den Balls die Haupterwerbsmöglichkeit genommen, und er entschloss sich, mit Emmy Hennings, die er am 21.2.1920 in Bern heiratete, und mit Stieftochter Annemarie nach Deutschland zurückzukehren.

In Deutschland allerdings konnten sie sich “nicht mehr zurechtfinden” und gingen deshalb im August desselben Jahres in die Schweiz zurück. Hier begann Ball mit hagiographischen Studien, Vorarbeiten zu seinem 1923 erschienenen Buch “Byzantinisches Christentum”.

Hugo Ball München 1921/22Hugo Ball München 1921/22

Zum Jahresende 1920 machten die Balls Bekanntschaft mit Hermann Hesse, aus der sich eine feste Freundschaft entwickelte. Anfang 1924 überarbeitete Ball seine “Kritik der deutschen Intelligenz”, die im selben Jahr unter dem Titel “Die Folgen der Reformation” erschien.

Dank finanzieller Unterstützungen konnten die Balls im Oktober 1924 nach Italien reisen. Neben Aufsätzen fürs “Hochland” überarbeitete Ball seine Tagebücher zu dem autobiographischen Werk “Die Flucht aus der Zeit”. Aus Italien im April 1926 zurückgekehrt, entstand in Sorengo bei Lugano, neben Korrekturarbeiten an der “Flucht aus der Zeit”, der “Hochland”-Aufsatz “Der Künstler und die Zeitkrankheit”. Danach folgte die Abfassung der “Hermann-Hesse”-Biographie. Ende März lieferte Ball das Manuskript beim Verlag S. Fischer ab.

 

Buchcover 1927
Buchcover 1927

Erste Symptome einer Erkrankung machten sich im Mai 1927 bemerkbar, und am 2. Juli fand im Zürcher Roten-Kreuz-Krankenhaus die Operation statt. Dabei wurde es zur Gewissheit, dass Hugo Ball unheilbar an Magenkrebs erkrankt war.

Nach seiner Rückkehr aus Zürich zog die Familie Ball nach S’Abbondio. Am 14. September 1927 ist Hugo Ball dort gestorben, und am 16. September wurde er auf dem Friedhof S’Abbondio begraben.

In einem Brief erzählte Ball seinen Werdegang: “Eine seltsame Führung und Fügung brachte es mit sich, dass ich überall in den Brennpunkt der Interessen gelangte: am Theater, in der Kunst, in der Philosophie, in der Politik.”

Aus diesem Zitat heraus lässt sich die beeindruckende Vielfalt im Werk Hugo Balls erklären. Wenn er “überall in den Brennpunkt der Interessen gelangte”, so war es zwangsläufig, dass er sich auch mit diesen Brennpunkten auseinandersetzte. Mit seinen expressionistischen und dadaistischen Dichtungen zählt er zur Avantgarde des 20. Jahrhunderts und ebenso zum Anreger späterer literarischer und künstlerischer Aktionen und Aktivitäten. Seine sprach- und theatertheoretischen Aufsätze werden häufig zitiert und analysiert, ebenso seine kultur- und zeitkritischen Texte und Gedanken. Bald nach Hugo Balls Tod erschienen in großer Zahl Nachrufe in der deutschsprachigen Presse. Einige Aufsätze zu Leben und Werk regten eine Beschäftigung mit Ball an. Unterstützt wurde diese Auseinandersetzung durch zwei Ball-Monographien; 1931 legte Emmy Ball-Hennings die Biographie “Hugo Balls Weg zu Gott” vor, bereits 1930 war der Band “Hugo Ball. Sein Leben in Briefen und Gedichten” erschienen. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 wurde Hugo Ball wegen seiner Kritik an der deutschen Mentalität völlig ignoriert und totgeschwiegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erschienen Neuauflagen einiger Bücher Balls. Die Wiederentdeckung des fast vergessenen, nur noch wenigen Kennern bekannten Schriftstellers und Dichters, erfolgte nur zögernd. Über die Jahrzehnte hinweg hat nur die Hesse-Monographie eine vergleichsweise andauernde Wirkung gehabt und zahlreiche Neuauflagen erfahren. Mit dem langsam wachsenden Interesse am Dadaismus jedoch, dessen literaturhistorische Aufarbeitung durch das “Dritte Reich” lange verzögert wurde, vergrößerte sich Balls Bekanntheitsgrad.

Mitte der sechziger Jahre schließlich begann verstärkt auch die Literaturwissenschaft sich mit Hugo Ball, seiner Bedeutung und seinem Einfluss auf die Entwicklung der Literatur des 20. Jahrhunderts zu befassen. Belege dafür sind zahlreiche fachwissenschaftliche Aufsätze, Seminar- und Magisterarbeiten sowie Dissertationen. Seit 2003 erscheinen im Göttinger Wallstein Verlag Hugo Balls Sämtliche Werke und Briefe in zehn Bänden, herausgegeben von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung zu Darmstadt in Zusammenarbeit mit der Hugo-Ball-Gesellschaft, die 1998 in Pirmasens gegründet wurde. Bisher liegen vor: Briefe (3 Teilbde., 2003), Die Folgen der Reformation / Zur Kritik der deutschen Intelligenz (2005), Hermann Hesse (2006), Gedichte (2007), Dramen (2008), das Bakunin-Brevier (2010), das Byzantinische Christentum (2011) und Die Flucht aus der Zeit (2018). Um der Ball-Forschung ein Forum zu schaffen, wurde 1970 in Pirmasens die Hugo-Ball-Sammlung gegründet und seit 1977 der Hugo-Ball-Almanach herausgegeben. Seit 1990 verleiht seine Geburtsstadt den Hugo-Ball-Preis.